Konzeption der tiergestützten Pädagogik in der KoGS Diesterwegstraße 

Vorwort

Die KoGS Diesterwegstraße ist eine bewegte und aktive Schule, die ein Ort des Lebens, des Lernens und des Zusammentreffens darstellt. Vielfältige Begegnungsmöglichkeiten werden jeden Tag gelebt, sei es auf dem Schulhof, beim Sportunterricht oder im jahrgangsgemischten Arbeiten (vgl. Leitbild KoGS Diesterwegstraße).

Die Begegnung mit Tieren kann hierbei den Erfahrungshorizont vor allem der Kinder an unserer Schule erweitern, die in ihrem privaten Umfeld zum Teil wenig bis gar nicht mit Tieren in Berührung kommen. Nach der Biophilie-Hypothese von Wilson (1984) haben Menschen von Geburt an das Bedürfnis, eine Verbindung zur belebten und unbelebten Natur aufzubauen (vgl. Vernooij/Schneider 2018, S.4). Nach den Konzepten der Anthropomorphisierung und der Du-Evidenz nach Greiffenhagen neigt der Mensch sogar dazu, Tiere wie Menschen zu behandeln und es können Beziehungen zwischen Menschen und Tieren höherer Ordnung entstehen, die denen entsprechen, die Menschen bzw. Tiere unter sich haben (vgl. Beetz/Riedel/Wohlfarth 2018, S. 29; vgl. Vernooij/Schneider 2018, S. 7). 2003 versuchte Beetz die Bindungstheorie auf die Mensch-Tier-Beziehung zu übertragen und hebt seitdem hervor, dass positive Bindungserfahrungen mit einem Tier möglicherweise auf die soziale Situation mit Menschen übertragen werden können (vgl. Vernooij/Schneider 2018, S. 11). Aus der engen Verbindung zwischen Mensch und Tier heraus, kann das Tier helfen, dass Kinder eine emotionale Sicherheit aufbauen, soziale Kompetenzen entwickeln, ihre eigenen Persönlichkeiten entfalten sowie Ängste und Befürchtungen abbauen. Auf der Reise des Großwerdens kann das Tier gezielt als treuer Begleiter für die Kinder unterstützend sein.

Die Multikulturalität und Vielfalt unserer Schulgemeinschaft setzen Toleranz, Wertschätzung, Respekt und Einfühlungsvermögen täglich voraus. Basiskompetenzen, die für alle Menschen im Umgang miteinander und mit der Natur von großer Bedeutung sind. Tiere reagieren auf alle anderen Lebewesen zunächst vorurteilsfrei sowie offen und zeigen uneingeschränkt Zuneigung. Sie leben uns allen vor, wie wir uns untereinander verhalten sollen. Sie sind uns ein Vorbild. Gleichzeitig folgen Tiere uns nur, wenn ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis besteht, sie das Gegenüber respektieren und die Führungsperson klar, authentisch und selbstsicher ist. Dieser Bereich stellt ein großartiges Übungsfeld für die Kinder der KoGS Diesterwegstraße im Rahmen der tiergestützten Pädagogik dar.

Tiergestützte Pädagogik (TGP)

„Tiergestützte Pädagogik (TGP)“ ist eine zielgerichtete, geplante und strukturierte Intervention, die von professionellen Pädagogen oder gleich qualifizierten Personen durchgeführt wird. Sie findet im Einzel- oder Gruppensetting statt. Der Fokus der Aktivität liegt auf akademischen Zielen, auf pro-sozialen Fertigkeiten und kognitiven Funktionen. Fortschritte der Schülerinnen und Schüler werden gemessen und dokumentiert. Die durchführende Fachkraft muss adäquate Kenntnisse über das Verhalten, die Bedürfnisse, die Gesundheit sowie die Indikatoren und die Regulation von Stress der beteiligten Tiere besitzen (vgl. IAHAIO Weissbuch 2018).

Wirkungen und Ziele der Tiergestützten Pädagogik

Tiere, insbesondere Hunde, sind offen, wertneutral und einfühlsam, unabhängig von Status, Aussehen, Beeinträchtigung oder Alter. Durch den Hund erfährt das Kind bedingungslose Akzeptanz und vorurteilsfreie Wertschätzung. Beides ist überaus wichtig für die soziale Entwicklung eines Kindes sowie die Stärkung des Selbstbewusstseins und der sozialen Fähigkeiten. Die Beziehung zu Hunden kann das emotionale Wohlbefinden von Kindern stärken und soziale Fähigkeiten fördern.

Bereits 1960 bekräftigte der Psychotherapeut Boris Levinson das Potential von Tieren für psychotherapeutische Zwecke. In einer Therapiestunde mit einem kleinen Jungen, der bis dato weder Kontakt mit ihm noch mit seiner Umwelt aufgenommen hatte, war Levinsons Hund Jingles anwesend. Als der Junge diesen erblickte, trat er sofort in Interaktion mit dem Hund und begann zu kommunizieren. Tiere können Hemmungen abbauen und gerade der Hund kann als Eisbrecher fungieren, zum Beispiel bei zurückhaltenden Kindern, denen soziale Interaktionen mit Menschen schwerer fallen. Hunde können als Brücke zu Kindern mit keinen bis wenigen Deutschkenntnissen oder geringer Sozialkompetenz dienen. Sie können soziale Kontakte unter den Kindern fördern oder Impulsgeber für Dialoge sein. Auch die Interaktion mit pädagogischen Fachkräften kann durch einen Hund erleichtert werden.

Durch die Anwesenheit eines Tieres im Klassenraum kann die Lernatmosphäre verbessert werden. So gaben in einer Studie 86% der Schülerinnen und Schüler an, lieber in die Schule zu gehen, wenn ein Hund in der Klasse war. Des Weiteren wurde in Studien nachgewiesen, dass bei bestimmten Aktivitäten mit Hunden die Aufmerksamkeit und Konzentration, ja sogar die Kreativität gefördert werden kann (vgl. Kotrschal/ Ortbauer 2003, S. 267 ff.). Hunde können für Kinder emotionale Begleiter sein, die Trost und Geborgenheit geben. Sie können Kinder motivieren, Neues auszuprobieren und Freude und Begeisterung wecken. Hunde im Klassenzimmer können zur Reduzierung von aggressiven Verhaltensweisen und zur besseren Integration einzelner Schüler innerhalb der Klasse beitragen (vgl. Monshi et al. 2001; Beetz 2021, S. 56f. und 65). Es konnte beispielweise belegt werden, dass sich die Leseleistungen und -motivation sowie das Selbstkonzept als Leser durch die Anwesenheit von einem Hund verbesserten (vgl. Heyer/Beetz 2014; Beetz 2021, S. 60).

Durch die Interaktion mit Tieren können Stress reduziert und Ängste abgebaut werden. So konnte in Studien bereits belegt werden, dass durch eine positive Interaktion mit Hunden bekannte Stressparameter wie Blutdruck, Herzfrequenz und Cortisolspiegel beim Menschen gesenkt werden können (vgl. Beetz 2021, S. 71). Zudem konnte im Gehirn nachgewiesen werden, dass durch Hunde eine erhöhte Entspannung und emotionale Stabilität gefördert wird. Hunde haben einen stimmungsaufhellenden Effekt und durch ihre Anwesenheit sowie das Streicheln und Berühren können Stresshormone gesenkt sowie Glückshormone freigesetzt werden (vgl. Barker et al. 2005).

Durch die Einbindung von Tieren in den Schulalltag wird das Verantwortungsgefühl von Kindern gestärkt. Auch die Förderung der Motorik, des Gleichgewichts- und Orientierungssinnes sowie der Koordination können ebenfalls auf die positive Wirkung der Mensch-Tier-Beziehung zurückgeführt werden.

Grundlegende Voraussetzungen für den Einsatz (vgl. Tierschutzbund)

Dem Einsatz eines Hundes in einer sozialen Einrichtung wie der Schule liegen bestimmte Wesensvoraussetzungen und gesundheitliche Grundlagen des Hundes, Voraussetzungen des Halters/ der Halterin sowie Hygienevorschriften zugrunde. Zudem ist es für ein harmonisches Zusammenleben wichtig, dass die Schulleitung, das Kollegium sowie die Elternschaft mit der Tiergestützten Pädagogik einverstanden sind. Die Eingewöhnung eines Hundes in der Schule verläuft behutsam und individuell auf den Hund und seine Bedürfnisse angepasst. Der Einsatz des Therapiehundes beschränkt sich auf maximal drei Einsätze pro Woche, um das Wohlbefinden des Hundes zu gewährleisten. Täglich wird ein aktiver Einsatz (wirkliches Arbeiten) des Hundes von max. 60 Minuten nicht überschritten.

a) Hund

Wesensvoraussetzungen:

Es gibt keine Rassen, die sich für die Tiergestützte Pädagogik besonders oder gar nicht eignen. Der Hund sollte jedoch folgende Voraussetzungen mitbringen:

  • ruhiges, freundliches und friedfertiges Wesen (auch zu fremden Menschen) -> gute Sozialisation
  • enge Bindung an den Halter/ an die Halterin
  • geringe Aggressionsbereitschaft
  • am Menschen interessiert und orientiert
  • mit Kindern und anderen Hunden verträglich
  • gehorsam und empathisch
  • wenig stressempfindlich, nicht ängstlich und unsicher
  • kein bis wenig ausgeprägter Herdenschutztrieb
  • erfolgreich abgeschlossene Schulbegleithund-Ausbildung (oder in der Ausbildung)

(vgl. Beetz 2021, S. 25f.)

Gesundheitliche Voraussetzungen:

  • Alle erforderlichen Impfungen in den vorgeschriebenen Intervallen sowie regelmäßige Gesundheitskontrollen werden tierärztlich attestiert.
  • Alle drei Monate wird prophylaktisch entwurmt (bzw. Kotprobe).
  • Alle drei Monate wird prophylaktisch ein Mittel gegen Zecken, Flöhe und Milben gegeben.
  • Ektoparasiten (Flöhe, Läuse, Zecken, Milben) werden zeitnah entfernt und der Hund wird erst nach erfolgreicher Behandlung wieder mit in die Schule gebracht.
  • frei von akuten Erkrankungen
  • artgerechte Haltung mit ausreichend Auslauf und Frischluft

b) Halter/in

  • ausreichend Erfahrung und Sicherheit im Beruf
  • sachkundig im Themengebiet des Mensch-Hunde-Teams
  • enge Mensch-Hund-Bindung
  • erfolgreich abgeschlossene Schulbegleithund-Ausbildung (oder in der Ausbildung)
  • Belegen von Team-Weiterbildungen
  • erkennt die nötigen Sicherheitsmaßnahmen für Mensch und Tier und setzt diese auch um
  • erkennt und beachtet die Bedürfnisse von Mensch und Tier
  • erkennt und reagiert auf Stresssignale und Überforderung des Hundes (evtl. durch Abbruch des Einsatzes)
  • stellt die veterinärmedizinische Versorgung des Hundes sicher
  • beachtet Gesetze und Verordnungen
  • Unterstützung durch das Umfeld (z.B. gleiche Erziehungsansätze in der Familie, Betreuung des Hundes bei Veranstaltungen/ Klassenfahrten etc.)

Jeder Einsatz in der tiergestützten Pädagogik erfolgt nur im ausgebildeten Mensch-Hund-Team. Der Einsatz zwischen Schülerinnen bzw. Schülern und dem Hund erfolgt ausschließlich unter ständiger Aufsicht des Hundeführers/ der Hundeführerin.

Die Regeln für den Einsatz von Schulbegleithunden und die Vorstellung der Mensch-Hunde-Teams finden Sie hier.

Literatur:

  • Barker, S.B., Knisely, J.S., McCain, N.L. and Best, A.M. (2005): Measuring Stress and Immune Responses in Health Care Professionals Following Interaction with a Therapy Dog: A Pilot Study. Psychological Reports, 96 (3), S. 713-729.
  • Beetz, A. (2021): Hunde im Schulalltag: Grundlagen und Praxis. München: Ernst Reinhardt.
  • Beetz/Riedel/Wohlfarth (2018): Tiergestützte Interventionen, München: Ernst Reinhardt.
  • Kotrschal, Kurt (2017): Hund und Mensch, Wien: Brandstätter.
  • Leitbild der KoGS Diesterwegstraße Braunschweig
  • Vernooij/Schneider (2018): Handbuch der Tiergestützten Intervention. Wiebelsheim: Quelle & Meiner.

Internetquellen: